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28.06.2021

Museumssnack

Wie wollen wir leben? Wie leben sie? Was für eine Küche haben oder hätten sie gern zu Hause? Soll sie eher funktional und schlicht sein, möglichst wenig Platz wegnehmen? Oder favorisieren sie eher eine offene Küche mit großer Kochinsel, die genauso Ort zum Leben und gemeinsam Zeit verbringen ist, wie zum Kochen?

Frankfurter Küche

In unserer Ausstellung „Herd und Heim – Bildung und Verein: Bürgerkultur in Celle“ findet sich eine zeitgenössische Antwort auf diese Frage, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entworfen wurde, aber unser Zuhause bis heute prägt. Dort finden sich einzelne Möbel, die einer Frankfurter Küche nachempfunden sind, und die so in den 1950er Jahren arrangiert wurde. Gut zu erkennen ist nicht nur das typisch schlichte Design der Küche, sondern auch die Schütten aus Aluminium und Glas für Lebensmittel wie Linsen oder Mehl und die praktischen Halterungen für Töpfe und Deckel, um diese platzsparend unterzubringen. Wenn man sie sich so ansieht, könnten man fast glauben, in einer Verkaufsausstellung eines großen, schwedischen Möbelhauses zu stehen. Und diese Assoziation kommt nicht von ungefähr.

Frankfurter Küche

Schöpferin der Frankfurter Küche ist Magarette Schütte-Lihotzky. Geboren 1897 war sie die erste studierte Architektin Österreichs. Während und nach ihrem Studium beschäftigte sie sich mit den beengten Wohnverhältnissen von Arbeitern in Großstädten. Eine Herzensangelegenheit war es ihr, den Alltag von arbeitenden Frauen zu erleichtern. Dazu bekam sie die Chance, als sie in zum Stadtplanungsprojekt „Neues Frankfurt“ in Frankfurt am Main hinzugezogen wurde. In Frankfurt wie in anderen Städten herrschte nach dem 1. Weltkrieg Wohnungsmangel. Besonders fehlte es – wie heute – an bezahlbaren Wohnungen für Geringverdiener und einfache Arbeiter. Und wie heute sah man die Lösung darin, Wohnsiedlungen zu errichten, in denen die Wohnfläche so klein gehalten werden sollte, dass auch die Miete möglichst gering blieb.

Frankfurter Küche

Während des Projektes zeigte sich, das die mit spitzem Bleistift geplanten Wohnungen nur etwa 6qm Fläche für eine Küche boten. Unvorstellbar in einer Zeit, in der die meisten Küchen über ausladende Holzöfen und Buffets verfügten. Außerdem war die Küche noch Wohnküche, also auch der Ort, an dem sich vor allem in ärmeren und einfacheren Haushalten das ganze Familienleben abspielte. Dieses Problem musste Schütte-Lihotzky lösen. Ihre Lösung war, die Arbeitsabläufe in der Küche so zu rationalisieren und effizienter zu machen, dass sie mit möglichst wenig Schritten und Platz zeitsparend erledigt werden konnten. Im Sinne des Taylorismus, bei dem in Fabriken die Zeit für Arbeitsabläufe gemessen wurden und anschließend Maschinen so angeordnet wurden, dass diese Zeit immer kürzer wurde, maß sie die Zeit, die Frauen für verschiedene Arbeiten in der Küche benötigten. Außerdem beobachtet sie, welche Handgriffe unmittelbar nacheinander getätigt wurden. Nach ihren Ergebnissen entwarf sie die Frankfurter Küche.

Frankfurter Küche

Im Grunde war dies eine Einbauküche aus genormten Küchenmöbeln, die in jeder Wohnung der neuen Siedlung in Frankfurt eingebaut wurde und auch an andere Grundrisse angepasst werden konnte. Entscheidend war, das die Möbel so angeordnet wurden, dass sich ein „work-flow“ ergab. Außerdem fand sie Lösungen, um Küchengeräte und Lebensmittel platzsparend und hygienisch zu verstauen. So etwa Töpfe in belüfteten Schränken – damit sie dort auch feucht eingeräumt werden konnten – und die zugehörogen Deckel in Halterungen in den Schranktüren. Ihr Ideal war ein Kochlabor: Aufgeräumt, übersichtlich, sauber und funktional. So, hoffte Schütte-Lihotzky, würden Frauen, die nach dem 1. Weltkrieg immer häufiger auch berufstätig waren, nur sehr wenig Zeit für das Kochen aufwenden müssen und es bleibe ihnen mehr Zeit für die Familie.

Frankfurter Küche

Nur wenige Jahre später – 1929 – stellte sich in Celle Otto Haesler dem gleichen Wohnungsmangel und begann mit den Arbeiten an der Siedlung im Blumenläger Feld. Seine Lösung basierte auf der gleichen Logik, der man bereits in Frankfurt gefolgt war. Und wie in Frankfurt entwarf Haesler für seine Siedlung eine Küche, die sich an der Frankfurter Küche orientierte.

Frankfurter Küche

Die Frankfurter Küche wurde zwar 10.000 – 15.000 Mal verbaut. Aber sie geriet schnell in die Kritik und Vergessenheit. Zum einen war das Ziel der Stadtplanungsprojekte – vor allem wenn sie von Vertretern und Vertreterinnen des Bauhaus und Neuen Wohnens geleitet wurden – klassengegensätze in der Architektur abzuschaffen. Aber durch die Abschaffung der Wohnküche zugunsten der Stube deklassierten sie lediglich die Wohnkultur  von Arbeitern und erhoben die des Bürgertums zur erstrebenswerten Norm. Zum anderen basiert die Frankfurter Küche auch darauf, dass sie nur von einer Person gleichzeitig genutzt werden konnte. Und auch wenn sie den Frauen die Arbeit erleichtern sollte, zementierte sie doch damit die Ansicht, dass es eben nur der Frau zukam, die Hausarbeit zu erledigen. Sie wurde dabei sogar regelrecht isoliert.

Bis in die 1980er Jahre geriet die Frankfurter Küche in Vergessenheit. Dann erlebte sie eine Renaissance, da die Einbauküchen endgültig den Durchbruch schafften. Bis heute sind effektive Raumlösungen im Küchenbereich sehr interessant für alle, die nur über kleinen Wohnraum oder geringes Einkommen verfügen. Und die Zahl derer steigt in den letzten Jahren im Zuge immer höherer Mietpreise in Großstädten an. Heute wie damals gilt hier mehr und separater Raum zum Kochen als gehobene Wohnform.

Gleichzeit geht der Trend aber auch weg von der funktionalen Küche wie der Frankfurter Küche und wieder hin zur Wohnküche mit Kochinsel, in der Familienleben stattfinden und Besucher empfangen werden können. Getragen wird dies auch vom Trend des „slow food“, aber auch dem zunehmenden Aufbrechens von Geschlechterrollen. Je häufiger die Arbeit in der Küche gemeinsam erledigt wird, desto eher soll die Küche auch ein großer, sozialer Raum sein.