Hilfsnavigation
Quickmenu
Museumsblog
Museumsblog
Seiteninhalt

Museumssnack

„Dieser Gutschein ist ausgestellt, weil die zur Auszahlung der Gehälter und Löhne erforderlichen Banknoten nicht zu beschaffen sind“, heißt es auf der Celler Notgeld-Note Nr. 00263. Und darüber prangert in dicken, roten Lettern eine nicht geringfügige Korrektur ihres Wertes: Statt 2000 Mark war sie nun 50 Milliarden Mark wert. Vieles, was auf dieser Notgeld-Note geschrieben steht, erscheint uns heute abstrus. Nicht nur, dass Löhne aufgrund des Mangels an Geldscheinen nicht ausgezahlt werden können, nicht nur der unvorstellbar hohe Wert, auch die Ankündigung, dass die städtische Sparkasse diesen Wert auszahlen wird, sobald wieder genug Geldscheine vorhanden wären. Man stelle sich vor, wie ein einfacher Arbeiter in einer Celler Sparkasse an einem gewöhnlichen Nachmittag 50 Milliarden Mark in Bar ausgehändigt bekommt. Hinter dieser Geschichte des Celler Notgeldes – das in der Dauerausstellung „Celle und sein Umland – Eine Reise durch die Zeit“ zu sehen ist – versteckt sich eine deutsche Urangst, die wir in den letzten Monaten wieder verstärkt zu spüren bekommen: Die Hyperinflation. 

Notgeld der Stadt Celle (1920er Jahre)

Seinen Ursprung hat dieses Schreckgespenst im Ersten Weltkrieg. Die nie dagewesene Produktion an Waffen und Munition verschlang Unmengen an Metall. Um die Nachfrage zu stillen, wurden nicht nur Glocken eingeschmolzen, sondern auch Münzgeld. Schon bald war das Metall der Münzen um ein vielfaches mehr wert als die Münze selbst. Was nicht eingeschmolzen wurde, horteten die Menschen daher daheim. Doch ohne Münzgeld hatten viele Unternehmen Probleme, Löhne auszuzahlen. Also druckten Städte und Gemeinden Notgeld. 

Im Grunde handelt es sich bei Notgeld um nichts Anderes als Gutscheine. Sie werden regional gedruckt und erhalten einen bestimmten Wert, der auf den Noten abgebildet ist. Zu einem späteren Zeitpunkt erhielt man von den regionalen Geldinstituten den Wert ausgezahlt. Bis dahin konnten die Menschen in ihrer Region mit den Gutscheinen Handel treiben. Man konnte mit ihnen also ganz normal bezahlen. Denn ob die ursprünglichen Eigentümerinnen und Eigentümer oder später Händlerinnen und Händler den Gutschein in der Bank einlösten, war völlig egal. 

Notgeld der Stadt Celle (1920er Jahre)

Das Phänomen des Notgeldes verschwand zwar im Laufe des Krieges recht schnell wieder. Aber mit seinem Ende kehrte es viel umfangreicher zurück. Denn nun bekam Deutschland zu spüren, dass der gesamte Krieg auf Pump finanziert war. Der deutsche Staat hätte sich nur wenige Tage der aufwändigen Kriegsführung leisten können. Also verschaffte man sich Geld über Kriegsanleihen der Bevölkerung und Kredite. Und die sollten nach Kriegsende durch die besiegten Gegner getilgt werden. Besiegt wurde jedoch Deutschland. Es musste nun den gewaltigen Schuldenberg allein abbezahlen. Außerdem sah die Kriegsfinanzierung der anderen Staaten nicht anders aus, weswegen sie horrende Reparationszahlungen in kürzester Zeit verlangten. Der Reichsbank fiel keine andere Lösung ein, als immer mehr des dringend benötigten Geldes zu drucken, ohne jedoch einen Gegenwert dafür zu schaffen. 

Die benötigten Mengen waren derart monströs, dass die Reichsbank allein sie nicht drucken konnte. Man bat daher Städte und Kommunen zähneknirschend, selbst Geld zu drucken. So kehrte das Notgeld zurück. Es durfte einen Wert von einer bis zu einhundert Mark haben. Im Gegensatz zu normalen Geld wies das Notgeld recht schnell vielfältige und hohe künstlerische Qualität auf. Denn die Scheine wurden vom Zahlmittel zur Ware. Immer mehr Sammlerinnen und Sammler behielten die Scheine lieber, als sie einzulösen. Je hübscher und ausgefallener das Notgeld aussah, desto häufiger geschah dies. Städte und Gemeinden konnten so ordentlich Gewinn machen. Mancherorts wurden ganze Serien gedruckt, die nie für den Umlauf, sondern allein zum Sammeln gedacht waren. So auch eine Serie mit regionalen Motiven in Celle.

Meist zeigte das Notgeld aber keine unschuldigen Motive. Viel mehr nutzte man sie, um Produkte oder die eigene Region zu bewerben. Häufig wurden auch politisch-propagandistische Motive und Sprüche gedruckt. Da das Geld um Umlauf war, ging es durch viele Hände und erreichte viele Augen. Notgeld war also auch ein Massenkommunikationsmittel. Damit steht es in einer Linie etwa mit antiken Münzen und ihren Motiven wie Kaiserabbildungen, die ebenfalls zur Kommunikation geprägt wurden. 

Geld lässt sich jedoch nicht in unendlichen Mengen problemlos drucken. Gibt es im Gegenzug keinen entsprechenden Gegenwert, zum Beispiel mehr Güter, die man damit kaufen kann, wird das Geld im Vergleich zu diesen Gütern einfach nur immer weniger Wert. Die Preise beginnen zu steigen. Die Inflation kommt ins Rollen. Genau das geschah in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Je mehr das Geld an Wert verlor, desto schneller versuchten die Menschen es loszuwerden und harte Gegenwerte dafür zu erhalten. Oder sie hielten diese Waren, wenn sie sie besaßen, zurück, um sie nicht in wertloses Geld umtauschen zu müssen. Dadurch drehte sich die Spirale immer schneller. Als die Preissteigerung bei mehr als 50% lag, grassierte die sogenannte Hyperinflation. Ein morgens ausgezahlter Lohn war am Abend nicht einmal mehr einen Kaffee oder ein Ei wert. Damit die Menschen dennoch zahlen konnten, druckte man immer mehr Geld. Und als das nicht mehr reichte, erhöhte man den Nominalwert von Banknoten und des Notgelds. Der 50 Milliarden Mark Notgeldschein aus Celle wurde demnach in dieser Zeit dringend gebraucht, um beim Bäcker einen Laib Brot kaufen zu können. 

Notgeld der Stadt Celle (1920er Jahre)

Bald war das Vertrauen in den Staat, die Banken und das Geld so zerrüttet, dass sich das Notgeld auf andere Gegenwerte bezog. Versprochen wurde nicht mehr die Auszahlung von Milliarden Mark, sondern einer bestimmten Menge Mehl, Speck oder Gas. Diesem Treiben setzte erst die Einführung der Rentenmark ein Ende. Die neue Währung wurde international gestützt und konnte sich so stabilisieren. Sie bedeutete aber auch einen harten Schnitt, der nötig war, um die ausufernden Werte wieder einzufangen. Nach Einführung der Rentenmark waren 154 Milliarden Mark nur noch 15 Pfennig wert. Sparer waren ruiniert. Wer einen Kredit abzuzahlen hatte, hatte das Geschäft seines Lebens gemacht. 

Die Hyperinflation zog ein Trauma nach sich, an dem Deutschland noch heute leidet. Anders als für andere Zentralbanken, ist die Preisstabilität eines der obersten Ziele der Deutschen Bundesbank. Der Wert der Währung muss unbedingt stabil bleiben. Und so sorgt es hierzulande für gemischte Gefühle, wenn die Inflation einmal mehr anzieht. Das ist im Moment der Fall. Die Preissteigerung liegt bei mehr als 5% in den letzten beiden Monaten. Damit ist die Inflation so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und während man international meist noch keinen Grund zur Sorge sieht, diskutiert man in Deutschland über Gegenmaßnahmen, die bereits spürbaren Folgen, besonders für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialleistungen, sowie die Angst vor einem Kontrollverlust. Grundsätzlich ist das nicht falsch. Allerdings stellt sich auch die Frage, wie viel Inflation das traumatisierte Deutschland aushält. Denn Teil der aktuellen Inflation sind auch Preissteigerungen im Bereich Benzin, Öl und Gas. Mit Blick auf die Klimakrise ist diese Preissteigerung bewusst gesteuert und sinnvoll. 

Diese Woche

Nächste Woche: