Reiseaquarelle von Eberhard Schlotter
19. Juli 2008 bis 3. Mai 2009
Augenerlebnisse.
Ferne, unbekannte Welten faszinieren europäische Künstler seit der Renaissance. Auch Eberhard Schlotter fühlt sich angezogen von fremden Kulturen und Menschen, andersartigen Landschaften und neuen Farb- und Lichterfahrungen. In seiner Aquarellmalerei steht er in der Tradition der atmosphärischen Italienaquarelle Albrecht Dürers und der farbenfrohen und lichtdurchfluteten Tunisaquarelle August Mackes.
Erste Reisen führen Eberhard Schlotter in den frühen 50er Jahren nach Italien, Spanien, Frankreich und in den Orient. 1956 lässt er sich in dem kleinen Fischerort Altea an der spanischen Küste nieder und erkundet in den folgenden zwanzig Jahren seine Wahlheimat Spanien mit Skizzenblock und Aquarellkasten. Nur kurze Abstecher führen ihn in dieser Zeit in andere Länder, wie 1969, als er zwei Tage in Marokko verbringt. Dort malt er eine Serie von Aquarellen, in denen er ganz unmittelbar dem eigentümlichen geheimnisvollen Zauber orientalischer Gassen und ihrer scheuen Bewohner nachspürt.
Erst ab 1976 unternimmt Schlotter wieder längere Reisen, zunächst in die Karibik und nach Sri Lanka, ab 1983 ausschließlich nach Südamerika. In der Karibik faszinieren ihn die starken Farbkontraste der dunkelhäutigen Bevölkerung, die er als eine Unmenge zappelnder, farbiger Hemden, Kittel, Hosen, Röcke, Pullis, gestrickter und gewirkter Mützen auf schwarzer Haut wahrnimmt. Landschaftliche Sensationen verwandeln sich auf dem Papier zu ineinander verlaufenden Farbflächen, angeregt durch die verschleierten Horizonte im Dunst des feucht-tropischen Klimas. In Sri Lanka begeistert ihn das intensive Farbspiel der üppigen Vegetation mit ihren strahlenden Blau- und saftigen Grünabstufungen in der feucht-flirrenden Hitze.
Zwischen 1983 und 2002 verbringt Eberhard Schlotter fast jedes Jahr mehrere Monate in Südamerika und reist durch Kolumbien, Bolivien, Ecuador, Kuba und immer wieder durch Peru. Er besucht zwar überwiegend touristisch erschlossene Orte, zeigt davon aber nichts in seinen Aquarellen. Es interessiert ihn nicht die Begegnung der eigenen mit der fremden Welt, sondern er will deren Wesen in Alltagsschilderungen – Menschen bei der Arbeit, auf dem Markt oder in den Straßen – erfassen und wiedergeben. Über die Beschäftigung mit der jeweiligen Landesgeschichte gewinnt er tiefere Einblicke in die Daseinsbedingungen der Landesbevölkerung. Schlotter veröffentlicht seine Reflektionen in Künstlerbüchern und erweitert damit seine beobachtenden Skizzen durch sachliche historische Informationen und persönliche Empfindungen und Erlebnisse: La Paz. Indianisch Chuquiyapu, das Goldfeld. Spanisch, der Friede. Gold wird schon lange nicht mehr in der Stadt gewaschen, und der Friede ist den ständigen politischen Unruhen gewichen in dieser Unheimlichkeit der saugenden Kreise, die sich 600 m in die Tiefe ziehen und undefinierbar bleiben. Ich gehe durch die steilen Straßen, in denen die ergrauten Märkte in verhaltener Buntheit wie Balkone an den esquinas (span. Hausecke) hängen. Bewegungslose Gesichter verbreiten ihren Grauschleier über Stände, in denen Gemüse, Obst und Lamaföten feilgeboten werden. Alles scheint mit dem Stab einer Zauberformel angerührt.