15. Oktober 2005 bis 12. März 2006
Eberhard Schlotter. Don Quijote
Vor 400 Jahren beendete Miguel de Cervantes den ersten Teil seines weltberühmten Romans Don Quijote. Von 1977 bis 1981 fertigt Eberhard Schlotter zu diesem Text einen umfangreichen Zyklus von 160 Radierungen an, der als grafisches Hauptwerk des Künstlers gilt.
Nach seiner Übersiedlung aus Deutschland in das spanische Altea im Jahr 1956 erkundete Eberhard Schlotter malend und wandernd die fremde Landschaft und Kultur, den Don Quijote im Gepäck. Dabei stellte sich laut Schlotter wie von selbst eine Identifikation mit dieser „tragischen“ Gestalt ein. Seinen Rückzug aus Deutschland empfand er in Parallele zum Don Quijote als einen idealistischen, wenn auch sinnlosen Kampf gegen die enttäuschende kulturelle Nachkriegswirklichkeit. Als Eberhard Schlotter von dem spanischen Literaturnobelpreisträger Camilo José Cela mit der Illustration des Don Quijote beauftragt wurde, hatte der Roman ihn bereits 20 Jahre lang auf seinen Wanderungen durch die Mancha begleitet.
Schlotter begeistert sich insbesondere für die ästhetische Wahrnehmung des Don Quijote, der aus den Gegenständen seiner banalen, alltäglichen Wirklichkeit Erscheinungen des Fremden, Ungewohnten und Phantastischen macht und so die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit auflöst. Diese „Scheinwelten“ erfahren in Schlotters Drucken eine äquivalente Ausdrucksform. Die verschiedenen Wahrnehmungsebenen des Romans verschmelzen quasi auf jeweils einem Blatt, indem unterschiedlich eingefärbte Radierplatten übereinander gedruckt werden. Diese faszinierende Technik wird anhand von etwa 45 ausgesuchten Papierarbeiten veranschaulicht, die neben den endgültigen Versionen auch Zeichnungen, Farbexperimente und Zustandsdrucke zu den einzelnen Szenen zeigen.
Ergänzt werden die Radierungen von 28 Zeichnungen, die der Künstler auf etwa 400 Jahre alten Notizblättern eines Steuerregisters anfertigt. Auf einer seiner zahlreichen Reisen durch Spanien fand Schlotter 1958 in einem Buchantiquariat in Toledo ein paar alte vergilbte Folianten aus dem XVII. Jahrhundert. In diesen von Würmern angefressenen Büchern verbargen sich seit Jahrhunderten neben den Aufzeichnungen eines Steuereintreibers zahlreiche unbeschriebene Blätter. Eine Kostbarkeit für Schlotter: Altes Papier ist wie eine Droge für mich, süchtig könnte man werden. Erst später erfuhr er, dass Cervantes als Steuereintreiber gearbeitet hatte und mit vergleichbaren Steuerregistern durch die Mancha gereist war.
Als Schlotter 20 Jahre später mit der Arbeit am Don Quijote beginnt, stößt er beim Stöbern in seinen Schubladen auf diesen schon fast vergessenen Schatz. Für seine Bleistift-, Feder- und Pinselzeichnungen zu Szenen aus dem Roman wählt er fast ausschließlich die mit Namen, Daten und Zahlen beschrifteten Seiten und versetzt sich durch die suggestive Wirkung des alten Papiers in die Zeit Cervantes. Wasserflecken, Fingerabdrücke und durchscheinende Schrift gehen eine faszinierende Symbiose mit den Zeichnungen ein. Sogar in ganzseitig beschriebene Blätter setzt Schlotter seine Darstellungen. Der besondere Reiz dieser Blätter ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Notizen eines Steuereintreibers mit den Illustrationen zu dem Roman, also aus dem Miteinander von Wirklichkeit und Phantasie.